Donnerstag, 28. Februar 2008

Freakshow

Emma - 4;4 Jahre & Paul - 2;1 Jahre
Vorweg sei gesagt: bei mir besteht grundsätzlich immer ein gewisses Basislevel an Großstadtgenervtheit. Und ich bilde mir bei allem, was ich hier so an aversiven Dingen erlebe, ein, dass mir das "auf dem Land" garantiert nicht passiert wäre (aber who knows...). Heute sind mir wieder so ein paar Geschichten aus dieser Kategorie zugestoßen. Ausgangszustand: restmigränig, erschöpft, hungrig, daher auf einen ruhigen, schnell und komplikationslos vergehenden Nachmittag hoffend. Hole Paul aus dem Kinderladen, das Schicksal lächelt mir noch einmal huldvoll zu - und nimmt seinen Lauf Smilie by GreenSmilies.com. Paul hinter der Scheibe freut sich sehr, mich zu sehen, hüpft und lacht und holt jemanden zum Tür öffnen. Normalerweise ist er ja meistens schon im Halbkoma, wenn ich komme, lässt sich widerspruchs- und regungslos anziehen und glücklich in den Kinderwagen verfrachten. Heute natürlich, ausgerechnet heute, wo ich es einmal wirklich nötig habe, dass alles reibungslos läuft, rennt er erstmal weg, lässt sich nicht anziehen und schreit wie am Spieß, als er in den Kinderwagen soll. "LAUUUUUUFN!" Argh. Geht nicht, wir müssen einen bestimmten Bus erwischen, um Emma vor Kindergartenschluss abzuholen. Paul sieht das nicht ein. Seine Tagesmütter auch nicht: "Der hat doch irgendwas!" (ja klar, er will nicht in den Kinderwagen!) - und nimmt ihn mir aus den Händen, als ich ihn natürlich notgedrungen trotzdem in den Wagen setzen will. Hallooo?! Smilie by GreenSmilies.com Nimmt ihn hoch, er wehrt sich, sie diskutiert, er hört nicht hin und schreit. Gut, dass die beiden auch nach Hause wollen - setzt ihn dann doch trotz Protest in den Wagen. Ich guck auf die Uhr. Kaum aus der Tür, ist schon wieder Ruhe. Merke: Zweijährige essen nie so heiß, wie sie kochen Smilie by GreenSmilies.com.

An der Bushaltestelle setze ich mich aufgrund meiner heutigen Erschöpfung ausnahmsweise in das Bushäuschen. Prompt kommt ein zugekiffter Kerl an (ich lerne es aber auch nie, mich mal vorher umzuschauen) und quatscht Paul an. Echt, ich habe kein Problem damit, wenn nette Menschen sich mit uns unterhalten! Aber bei gewissen Typen geht sofort die Mauer hoch. Ich überlege, aufzustehen und wegzugehen. Der Typ qualmt auch. Paul guckt. Der Typ meint: "Der is aber schüchtern, wa?! Musste ordentlich päppeln und spielen und so, denn wird det schon." Aha, danke. Da der Typ wenigstens körperlich Abstand hält, bleibe ich immernoch sitzen. Paul guckt. Der Typ fängt an, vor Paul rumzuhamplen, zu grimmassieren und alberne Laute von sich zu geben. Paul guckt. Der Typ meint: "Na, der hat aber auch nich viele Freunde, wa!" Das genügt, Diskriminierung von schüchternen Menschen kann ich überhaupt nicht ausstehen und sage: "Er mag nur nicht von Fremden angesprochen werden." und gehe weg. Der Typ meckert hinterher: "Ick bin doch keen Fremder!"

Eine halbe Minute später steige ich in den Bus und will den Kinderwagen in die dafür vorgesehene Ecke schieben. Der ganze Bereich ist aber mit 4 bis 5 Hartschalenkoffern ausgefüllt - abgesehen von der Ecke mit dem Notsitz, auf dem ein Mann von etwa 50 Jahren sitzt. Es sind noch genug andere Plätze in der Nähe frei und behindert ist er auch nicht. Ich steuere mit dem Kinderwagen direkt auf ihn zu in der Annahme, dass er natürlich sofort aufstehen und den einzigen für den Kinderwagen noch möglichen Platz freigeben wird - wie es normalerweise alle machen, wenn ein Kinderwagen einsteigt (wirklich, die allermeisten Menschen sind sehr hilfsbereit, wenn man ein (nicht-randalierendes) Kind dabei hat). Der Mann schaut mich aber nur groß an. "Können Sie bitte aufstehen, der Kinderwagen muss da hin." - Er wendet sich an die nächstsitzenden Personen: "I don't understand her!" Ich wiederhole (ja, meinem Überraschungs-Englisch mangelt es an Höflichkeit, was mir hinterher auch leid tut): "You have to stand up, it's the place for the buggy." Er steht wortlos auf, ich bedanke mich - und sehe, dass die offenbar zu ihm gehörende junge Frau ein Baby im Tragetuch dabei hat. Macht man in England keinen Platz für Kinderwagen? Zumal wenn ansonsten noch genug Sitzraum vorhanden ist? (die ganzen Koffer gehörten übrigens auch zu ihnen)

Emma abgeholt und ausnahmsweise auf einen von mir auf dem Hinweg neu entdeckten Spielplatz gegangen, weil der so eine Gruppenschaukel hat und es sonst immer Streit um das Schaukelrecht gibt. Emma freut sich, Paul schläft inzwischenSmilie by GreenSmilies.com . Stelle den Kinderwagen neben die Bank. Nach einer Viertelstunde kommt eine dicke Oma mit russisch/polnischem Akzent und Enkel. Trompetet schon auf dem Weg zur Bank laut rum, mit sich, mit dem Enkel, mit mir? Auch hier ist mir sofort klar: ich möchte mich nicht unterhalten (wirklich, ich bin gar nicht arrogant Smilie by GreenSmilies.com. Kann nur schlecht beschreiben, woher dieser erste Eindruck genau rührt, aber er ist da - zum zweiten Mal heute, aber sonst nicht soooo oft. Echt nichtSmilie by GreenSmilies.com.). Die Oma setzt sich neben den Kinderwagen und kommentiert natürlich direkt den schlafenden Paul, nimmt dann Kontakt zu Emma auf: "Gibst du mir dein Brüderchen?" Emma schüttelt voll entsetzt den Kopf und ich schiebe mich näher an den Kinderwagen. Oma posaunt weiter laut rum, mit Enkel, mit Emma, ich drehe ihr ja den Rücken zu. Fragt sie mich: "Schläft der heute abend noch, wenn der jetzt schläft?" (öh, eher nicht, ist aber nicht mein Problem icon_razz.) Ich fasse mich kurz. Schließlich wacht Paul auf, Oma sieht ein: "Ach, den hab ich sicher geweckt mit meinem Gerede! Habe ich nicht dran gedacht!" Paul will sofort aus dem Kinderwagen springen, obwohl er noch gar nicht ganz da ist. Ich nehme ihn raus. Oma fragt: "Hat der noch Windeln?" - "Ja." - "Wie alt ist er denn?" - "Zwei." - "Oooooh, mit zwei braucht man doch keine Windeln mehr haben!" Smilie by GreenSmilies.com
Zum zweiten Mal an diesem Tag möchte ich meinen "Pädagogenausweis" zücken und so einiges aus dem entwicklungspsychologischen Spektrum referieren. Nur, dass bei der jeweils anwesenden Audienz Hopfen und Malz zumindest auf diesem Gebiet ohnehin verloren scheint, hält mich davon ab.
Ich möchte nochmal betonen, dass ich gegen normale Spielplatzgespräche mit Müttern, Omas usw. nichts einzuwenden habe und in einem solchen Fall auch meine abweichende Meinung/Wissen zumindest andeuten würde. Heute aber will sich kein normaler Gesprächspartner für mich finden. Und nein, ich kann nicht begründen, warum ich diese Oma so unnormal fand. Sie kam ganz einfach von Anfang an freakig rüber.
Nicht mein Tag.

P.S.: Für die Kinder war der Tag sonst ganz normal. Paul kann "Erdbeereis" und "Haifischzahn" sagen.
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Malin

Hallo liebe Leser, hier blogge ich als "Malin" (ebenso wie die Namen der Kinder ist dies aus Datenschutzgründen ein Pseudonym) über meine Erlebnisse und Gedanken im Zusammenhang mit meiner Teilzeitbeschäftigung als stundenweise Betreuerin ("Babysitter") von den lieben Teilzeit-Minis. Ich habe einen Hochschulabschluss in einem kindheitsrelevanten Fach, bin relativ jung ;) und wohne in einer deutschen Stadt.

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Das ist ja mal ne Nachricht....
Herzlichen Glückwunsch und ganz viel Spaß mit dem Vollzeitmini...gibts...
Spillie-Mama (Gast) - Di, 14. Okt, 21:37
herzlichen glückwunsch!!!
mönsch, da kuckt man das erste mal seit wochen wieder...
mandy (Gast) - Di, 14. Okt, 21:22
The End
Telefonat mit Emmas und Pauls Mama. Die Mama: "...Damit...
Babysitter-Malin - Sa, 11. Okt, 11:49
Das wäre ja noch schöner...
...wenn die Überstunden auch noch unbezahlt wären!...
Malin (Gast) - Di, 19. Aug, 23:05
zahlen
die die Mehrarbeit dann wenigstens????
sandra (Gast) - Di, 19. Aug, 22:10

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